Der französische Dichter Antoine de Saint-Exupery pflegte einmal zu sagen, Vollkommenheit sei dann erreicht, wenn es an einem Werk – sei es künstlerischer oder literarischer Art – nichts mehr
gäbe, was man wegnehmen könne. Beim Betrachten der Bilder des Münchner Malers Oliver Diehr ist es genau dieser Satz, der einem in den Sinn kommt. Diehrs Bilder bestechen durch eine Klarheit und
Prägnanz, die selten ist und darum umso ansprechender.
Der 1966 in Niedersachsen geborene Künstler studierte Visuelle Kommunikation an der privaten Münchner Design-Akademie U5. Diehr, Mitglied im Art Directors Club (ADC) und von deutschen und
internationalen Design- und Kommunikations-Wettbewerben vielfach mit Preisen ausgezeichnet, ist heute, nach jahrelanger Arbeit in renommierten Werbeagenturen, selbständig als Designer, Art
Director und Künstler tätig. Anfangs wollte er zunächst Kunst studieren, was ihm sein Vater wegen der zu befürchteten „Brotlosigkeit“ jedoch ausredete. Allerdings nicht ganz: Der Sohn verstand
es, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und entschied sich für eine Grafik- und Designausbildung. Es war vor allem die Plakatkunst, die ihn von Anfang an faszinierte und bei der noch
heute sein beruflicher Schwerpunkt liegt.
Die künstlerische Entwicklung war vielschichtig. Sie begann zunächst mit einer Phase des Realismus, nah orientiert an dem was er abbilden wollte, und bestrebt, dies so detailgetreu wie möglich
auf die Leinwand zu bannen. Die frühen Jahre waren vor allem geprägt vom Spaß an der Malerei und der Lust am Pinselstrich. Doch mit der Zeit entwickelte sich das Bedürfnis, stärker auf den Punkt
zu kommen, mit so wenig wie nötig so viel wie möglich zum Ausdruck zu bringen. Zunächst verließ Diehr die figurative Malerei und wandte sich der abstrakten zu, vor allem, „um dem Arm freien Lauf
zu lassen“. Nach einigen Jahren befriedigte ihn das Abstrakte nicht mehr. „ Abstrakte Malerei ist eine gute Schule, um lockerer zu werden, um dynamischer zu malen, aber irgendwann wurde sie mir
zu austauschbar.“ Diehr kehrte zurück zum Gegenständlichen, doch zu einer neuen, veränderten Form: Immer bemüht, die Dinge nicht zu „zermalen“, war es die Reduktion, die ihn von nun an
faszinierte. Es geht darum, den Gegenstand und die Bewegung auf den Punkt zu bringen, ihre Quintessenz zu entdecken und mit wenigen Pinselstrichen festzuhalten. Was an der Reduktion
fasziniert, ist die Klarheit. Je vollkommener und einfacher die Linienführung, desto weniger muss der Maler erklären. Je schlichter die Ausdruckweise, desto tiefer und nachhaltiger der Ausdruck.
Je minimalistischer ein Mensch oder ein Gegenstand dargestellt wird, umso intensiver spricht er zum Betrachter. Oliver Diehr ging dazu über, Alltagsszenen zu fotografieren und ins Bild zu
bringen. Momentaufnahmen, die aus dem Gewöhnlichen herausfallen, oft nur kurz aufblitzen, um sich dann wieder aufzulösen, als hätte es sie nie gegeben. Diese Augenblicke festzuhalten und ihnen
die Möglichkeit zu geben, ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen, ist für ihn reizvoll.
In den neunziger Jahren kamen die ersten Ausstellungen: Staatsgalerie Stuttgart; trash art in New Orleans, Galerie Konstantin in Regensburg, Kunstzeugen Zürich und immer wieder Open Rambaldi in
München. Dort, in der alten Wiede Fabrik, ist auch sein Atelier. Diehr, nun in seinem vierzigstem Jahr, steht in gewissem Sinne an einen Endpunkt und an einem Neubeginn. Er hat nach Jahren des
Suchens, Experimentierens und der intensiven Auseinandersetzung mit künstlerische Vorbildern sich und seinen Stil gefunden. Sein künstlerisches Werk steht in der Tradition der Pop Art, die er auf
ganz individuelle und eigenwillige Weise weiterentwickelt: Diehr bringt in diese, vom Laien gelegentlich als „kühl“ empfundene Kunstrichtung ein Stück lebendige Emotionalität hinein, in dem er
mit den technischen Mitteln der Pop Art das Menschlich-Allzumenschliche festhält. Dabei verlässt er das für die Pop Art typische Arbeiten mit harten, unvermischten Farben und kreiert Farbtöne,
die die „Zwischentöne“ des menschlichen Miteinanders auf sensible Weise optisch zum Ausdruck bringen.
Lena Rupprecht 01.2007